Herkunft des Namens Mörgenthaler

Der Name Mergenthaler kommt sehr häufig im vorderen Remstal um die Stadt Waiblingen (Nähe Stuttgart, in Baden-Württemberg) herum vor. Im 16. Jahrhundert ist der Name sehr häufig in den Orten Hohenacker und Hegnach anzutreffen. Weniger häufig in umliegenden Nachbargemeinden. Nach Bauder* "erscheint in den im Jahre 1350 unter Graf Eberhard dem Greiner angelegten Urbaren ein Chuntzelin Mergerter in Hegnach, der als der ältestbekannte Sippengenosse angesprochen werden muß. Chuntzelin Mergerter war württembergischer Lehensträger und zinste als solcher jährlich je 12 Simri Roggen und Hafer. Leider versagen in den auf das Jahr 1350 folgenden Zeiten lange alle urkundlichen Quellen, so daß Chuntzelin zunächst allein steht. In den dann quellenmäßig folgenden Lagerbücher vom Jahre 1494 sind aber bereits fünf Namensträger Mergenthaler in Hegnach und drei Mergerter in Hohenacker verzeichnet."

Der Stammvater Heinrich Mergenthaler meiner Familie wird urkundlich zuerst bei Geburt des Sohnes Michel Mergenthaler erwähnt, dessen Taufe am 20.9.1573 im Taufregister Kornwestheim, Filial Zazenhausen, festgehalten wurde (siehe kleineres Bild links oben). Zazenhausen liegt wenige Kilometer westlich von Waiblingen. Sein Sohn „Michel Mergenthaler zu Beinstein“ verkaufte seine Äcker in Zazenhausen und gründete 1593 eine Familie in Beinstein bei Waiblingen. Dessen ältester Sohn Hannes Mergenthaler war Bürger und Fuhrmann in Rommelshausen bei Waiblingen. Seine Kinder wurden alle in Rommelshausen bei Waiblingen geboren. Sein jüngster Sohn Erhard Mergenthaler, 1627 geboren, 1650 in Beinstein verheiratet, kaufte sich 1677 in Niederhofen bei Brackenheim ein ("Eine Behaußung Scheuren, worunter ein Keller, Und Hofreithen be˙ dem oberen Bronnen, zwischen Martin Schmidten Und der Allmandtgassen."). Die Kirchenbücher Niederhofens verbrannten während der Franzoseneinfälle mit dem französichen General Melac und seinen brennenden Horden im Zuge des pfälzischen Erbfolgekrieges (1688-1697). Die Kaufbücher blieben jedoch erhalten. Auf Seite 8 des Kaufbuches Niederhofen findet sich der Beginn des ersten Kaufeintrag von vielen, mit denen sich Erhardt Mergenthaler von Rommelshausen in Niederhofen eingekauft hat. Während es 1677 noch heißt: „Anno 1677, Actum d 18 to Mart˙ ... Kaufft Ehrhardt Mergenthaler von Romelshausen Cannstatder Ampts“, ist später zu lesen: "Actum den 13t Ma˙ 1700 Alt Erhard Mörgenthaler gibt zu kauffen". Die Schreibweisen Mergenthaler und Mörgenthaler wechseln sich im Kaufbuch ab, obwohl die identische Person beschrieben ist! Der Name Mörgenthaler wird in Niederhofen und Nachbarorten von 1677 bis 1702 mit wenigen Ausnahmen als Mörgenthaler geschrieben. Erst ab 9.2.1702, wo auf gleicher Seite die Schreibweise Mörgenthaler und Mergenthaler verwendet wurde, wird im Kaufbuch Niederhofens (1676 – 1705) die Schreibweise Mergenthaler bevorzugt angewendet. Ab 1754 werden in den Kirchenregistern wieder alle Mergenthaler als Mörgenthaler geschrieben.

Auch in Fellbach bei Waiblingen taucht in den ersten Kirchenbucheinträgen (Kirchenregister ab 1558) der Name Mergenthaler auf, um ab 1577 bis 1598 in der Form Mörgthaler weitergeführt zu werden. Ab 1603 wiederum liess sich in Fellbach nur noch die Schreibweise Mergenthaler finden.

Da gemäß den vorausgegangenen Ausführungen der ursprüngliche Familienname Mergenthaler war, kann auf die nachfolgende Namensdeutung von Bauder* verwiesen werden, auszugsweise ist zu entnehmen:

Von allen Namenserklärern wird er unter denjenigen Geschlechternamen aufgeführt, welche den Ort bezeichnen, an welchem das Geschlecht beheimatet gewesen ist und von welchem aus es - vielleicht auf Umwegen - an die jetzigen Wohnorte gewandert ist. Die Heimat-Namen sind so alt wie die Eigenschafts-Namen und die Berufs-Namen und auch so alt wie die auf Vornamen zurückgehenden Geschlechternamen: sie werden auch im 12. und 13. Jahrhundert entstanden sein. Mergerter = Mergenthaler-Namen sind schon 1350 nachweisbar.

Leider kann kein Namenserklärer den Ort verraten, in welchem die Mergenthaler ihre ursprüngliche Heimat haben. Die Ensinger, Ehinger, Esslinger, Villinger, Vaihinger, Waiblinger, Feuerbacher, Heilbronner, und viele andere ähnliche Namensträger finden diesen Herkunftsort mit Leichtigkeit. Wo aber ist das Mergenthal, in welchem die Mergenthaler ihre Heimat haben.

Es muß auffallen, dass die zwei ersten Silben von Mergenthaler in den Ortsnamen Mergentheim und St.Märgen wiederkehren. Ein Mergenthal = Marienthal findet sich in Franken schon 1225. Die 1246, 1365 und 1546 urkundlich genannte Flur "in Mergenthal in Oetelfinger Markt, gegen Oetelfingen" weist offenbar auf ein altes, vielleicht von einer sehr frühe erbauten Kapelle benanntes Mergenthal = Marienthal, dem zur Unterscheidung von der Kapelle und ihrer nächsten Umgebung der Name Mergentheim beigelegt wurde"

Die später um das Jahr 1330 erbaute Dominikaner-Marienkirche in Mergentheim enthält in dem prächtigen neugotischen Hochaltar das berühmte Vesperbild - ein bemalte heilige Pieta: Maria mit dem Leichnam des Herrn -, welches jetzt noch sehr verehrt und in einem Lied besungen wird:

"Auf auf mein Christ...
Wenn's Kreuz nicht mehr kannst tragen
Hier ein Altar vorhanden ist.
Wo du dei' Not kannst klagen
Maria einer Mutter mild
In dem uralten Gnadenbild
Der Mutter von ganz Mergenthal"

Von dieser alten Bezeichnung Mergenthal kann der Name Mergenthaler hergeleitet werden: Er wäre also derjenige, welcher seine Heimat in Mergenthal = Mergentheim hat. In der Mergentheimer Oberamtsbeschreibung ist nämlich ganz richtig gesagt, daß Merge eine Ausdrucksform für Maria ist. Wie aus "Grimm: Deutsches Wörterbuch und Fischer: Schwäbisches Wörterbuch" zu ersehen ist, war Marga - Märge - Merge eine weitverbreitete volksmäßige Form des Eigennamens Maria, fußend auf der alten deutschen Betonung M a ria (Aus dem i wurde zunächst j und aus j das g, vgl. schon die gotische Marja, hebräisch Mirjam).

Diese volksmässige Form verbreitete sich im Mittelalter und ist in vielen Beispielen belegt, so also:

St. Märgen = St. Marien
Mergenthal = Marienthal

Ein Mergenthal kann überall, also auch am Neckar, im unteren Remstal oder in einem anderen Tale da gewesen sein, wo das Tal wegen einer Marienkirche oder Marienkapelle oder einem sonstigen religiösen Anlaß Marienthal geheißen wurde. Nur ist fraglich, ob diese Marienthal, von dem die Mergenthaler herkommen, jetzt noch nachgewiesen werden kann?

Durch Zufall konnte bei Forschungen im Staatsarchiv Stuttgart nachgewiesen werden, so Bauder*, daß es in der näheren Umgebung von Hegnach ein fast vergessenes Mariental gibt, nämlich

"das Würdig Gotteshaus zu Sanct Marienthal in Steinheimb an der Murr
gelegen, Prediger Ordens und Speyerer Bistums"

Es ist um 1250 von der kinderlosen Erbtochter Elisabeth von Steinheim mit ihrem zweiten Gemahl Berthold von Blankenstein aus ihrem Hausgut als Nonnenkloster für die Dominikanerinnen gestiftet worden in "honore Sanctae Dei genetricis Mariae". Diese Stiftung hat Bischof Heinrich von Speier am 31. Dezember 1254 und Papst Urban IV. am 13.Oktober 1261 bestätigt.

Das Kloster wurde erbaut beim Ort Steinheim in dem breiten Tale, wo die Bottwar in die Murr einmündet. Dieses Tal ist der uralte Kulturboden, in dessen Schottern jüngst der homo Steinheimensis gefunden wurde. Sehr wahrscheinlich hieß es das Mariental. Denn noch in den Lagerbüchern von 1568 und 1577 wird das Kloster bezeichnet: "Frawen-Closter zuo Stainhaim im Marienthal genanndt", "das Kloster zu Stainhaim an der Murr im Marienthal", "Frawen-Closter im Marienthal zu Steinen".

Es war - gleichsam eine Stadt für sich - von einer doppelten Mauer mit vier Toren umgeben. Die prächtige Klosterkirche, die Klausurgebäude und der Kreuzgang bildeten ein großes Viereck, das umgeben war von den umfangreichen Wirtschaftsgebäuden. Am 14. Januar 1643 ist es ein Raub der Flammen geworden. Dieses ungewöhnlich reiche Kloster Marienthal hatte einige Zeit den Grafen von Württemberg seine Schirmvogtei angetragen, bis sie Eberhard dem Erlauchten wegen mehrfacher Übergriffe im Jahre 1284 abgenommen wurde. Es ist nur 12 km Luftlinie entfernt von dem Dorf Hegnach, welches durch das Neckartal leicht erreicht werden kann.

Aus diesem Marienthal mag der Stammvater nach Hegnach eingewandert sein. Von seinem Herkunftsort Marienthal hat er den Namen Mergenthaler erhalten: Die Bezeichnung Merge für Maria war nämlich sicher auch in der Neckar-, Murr- und Remsgegend bis in die Neuzeit gebräuchlich, wie sich aus folgender Tatsache ergibt:

Am 17. Februar 1520 haben die Heilbronner einen Übeltäter mit glühenden Zangen gerissen, an den Galgen gehenkt und danach verbrannt, weil er mehrfache Kirchendiebstähle begangen, insbesondere in der Alexanderkirche zu Marbach "einem Mergenbild einen geflegerten Kranz, sowie ein daran hängendes gelbes ... Paternoster und ein goldenes Kreuzlein gestohlen hatte" (vgl. Württ. Geschichtsquellen, Band 19, 522).

Was nun den Ort betrifft, von dem der erste Mergenthaler ausgegangen, so erscheint die nachgewiesene, Hegnach zunächst gelegene, gerade in der namensgebenden Zeit aufgeblühte Siedlung Marienthal (Steinheim a.Murr) als natürlichster Ausgangspunkt. Bedenklich könnte nur machen, daß für diese Siedlung der Name Mariental ungewöhnlich selten vorkommt. Für die Entstehung des Namens Mergenthaler genügt es aber, wenn das Kloster wenigstens einige Zeit im Volksmunde die Bezeichnung Mariental hatte, die dann natürlich Mergental lautete.

Vielleicht darf noch auf ein anderes Mariental hingewiesen werden, nämlich auf das Zisterzienserfrauenkloster Mariental in Frauenzimmern, Oberamt Brackenheim. Das Kloster wurde 1245 bezogen. Der Ort selber ist seit dem 14. Jahrhundert württembergisch; eine Auswanderung bzw. Umsiedlung von Bauernöhnen nach anderen württembergischen Gebieten, z.B. nach Hegnach liegt durchaus im Bereich der Möglichkeit. Die Urkunden über diese Klostergründung finden sich im Württembergischen Urkundenbuch IV, S.424/425; weiteres in der Oberamtsbeschreibung Brackenheim S.244.

Bauder* schreibt weiterhin:

Die Erwähnung des Zisterzienserfrauenklosters Mariental in Frauenzimmern, Oberamt Brackenheim, als möglicher Herkunftsort der Mergenthaler läßt folgende Gedankenverbindung aufkommen: Warum sind 1677, also lange nach dem 30jährigen Krieg, die Mergenthaler dieser Familie von Rommelshausen gerade nach Niederhofen, heute Dekanat Brackenheim, weggezogen, also in die Nähe des zuvor erwähnten Zisterzienserfrauenklosters Mariental? Wie schon in früheren Zeiten Märchen mündlich von Generation zu Generation übertragen wurden, könnte sich auch der Herkunftsort dieser Familie mündlich überliefert haben, um sich dann auszuwirken, als aus heute nicht ersichtlichen Gründen diese Familie von Rommelshausen wegzog. Mit ein Grund könnte gewesen sein, daß gerade in dem Jahr 1677 dieses Niederhofen, das zuerst badisch, dann ab 1380 Widdum der Gräfin Antonia von Württemberg und 1485 bis 1571 an die Familie von Gemmingen verpfändet war, zu Württemberg kam.

Zu den älteren Schreibweisen führt Bauder* aus:

Die ältesten Musterungslisten von 1523, 1536 und 1546 führen nur Mergerter. Dem Schreiber der Liste 1553 war aber anscheinend dieser Name nicht geläufig; er hat die Gemusterten Mergather oder Mergether genannt. In den Listen 1558 und 1560 wird meist wieder Mergerter geschrieben; vereinzelt findet sich aber auch schon die Schreibweise Mergenthaler, welche 1563/66 zur ausschließlichen Anwendung gelangt.

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* Wilhelm Bauder, „Die Mergenthaler“, Stamm- und Ahnentafelwerk Band XX, Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte, Leipzig, 1939